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Das entwertete Sparen
Der Sparer als König - Alte
Werbebroschüre, Archiv: VisualFinance
Das Sparheft verkörpert die wohl klassischste Sparform überhaupt.
Es ist zudem, insbesondere in Europa, Inbegriff eines eisernen Sparwillens
einer ganzen Nachkriegsgeneration. In Deutschland leistete das Sparen
einen wesentlichen Beitrag zum ‚Wirtschaftswunder’. Die enorme
Sparbereitschaft der kriegsgeplagten und krisenerprobten Bevölkerung
ermöglichte den Banken Finanzierungsmittel für bedeutende Infrastrukturprojekte
(Wiederaufbau) und andere private und öffentliche Investitionen bereitzustellen.
Auch in der Schweiz ist das Sparheft historisch sehr stark verankert.
Die meisten ‚Sparbanken’ wurden im 19. Jahrhundert gegründet.
Erst seit Anfang der 1960er-Jahre nehmen auch Grossbanken Spargelder entgegen.
Im Spitzenjahr 1990 wurden bei den Banken in der Schweiz nicht weniger
als 14'412'311 Sparhefte und Sparkonten gezählt. Zum Vergleich: Die
Bevölkerungszahl lag damals bei 6'873'687.
Immobilienkrise als Wendepunkt in der helvetischen
‚Spargeschichte’
Eine Zäsur in der Spargeld-Politik der Banken vollzog sich in den
darauf folgenden Jahren. Die Immobilienkrise im eigenen Land setzte den
hiesigen Banken arg zu. Zum ersten Mal seit der Grossen Depression in
den 1930er-Jahren musste die Bankindustrie riesige Verluste auf Kreditpositionen
verkraften. Die Spar- und Leihkasse Thun musste von der Aufsichtsbehörde
geschlossen werden. Es brauchte mehrere Jahre, bis sich die Finanzbranche
vom Schock erholt hatte. Diese hartnäckige Krise (Rezession) war
das Schlüsselereignis und sorgte für einschneidende Umwälzungen
im Spargeldsektor. Sparen war jetzt auch bei den Sparern angesagt! Die
Wertschätzung vieler – nicht aller – Banken gegenüber
ihren treuen Sparerinnen und Sparer veränderte sich grundlegend.
Im Zuge einer grossen Automatisierungs- und Rationalisierungswelle wurde
das handliche Sparheft durch das elektronische Sparkonto ersetzt. Gleichzeitig
hielt ein striktes Kosten(träger)denken Einzug im Bankwesen. Zum
ersten Mal in der Geschichte wurde den Sparern vorgerechnet, dass kleine
Ansparbeträge aus Sicht der Banken nicht kostendeckend seien und
daher dieses Geschäft, ohne die Inanspruchnahme von kostenpflichtigen
Zusatzleistungen, nicht lukrativ zu betreiben sei. Diese Argumentation
erleichterte es den Bankinstituten, fixe und/oder variable Gebühren
einzuführen. Dieser Kosten-Trend hat sich in den letzten Jahren intensiviert.
Die Sparzinsen wurden in der Zwischenzeit von einem sehr hohen auf ein
heute rekordtiefes Zinsniveau gesenkt. Das Wort ‚senken’ ist
dem Wort ‚fallen’ vorzuziehen, weil die Höhe der Sparzinsen
vom obersten Bankmanagement festgelegt wird. Der Sparzins unterliegt im
Gegensatz zum Anleihenmarktzins nicht den Kräften des völlig
freien Marktes, der, je nach Angebot und Nachfrage zu steigenden oder
fallenden Renditen (Zinsen) führt!
Von der einst hohen Emotionalität im Sparkassengeschäft ist
nicht mehr viel zu spüren. Die nüchternen und oft nicht sehr
einfallsreich gestalteten Kontoauszüge schaffen es nicht, in den
Herzen der Sparerinnen und Sparer grössere Emotionen hervorzurufen.
Dadurch hat sich die Kundenbindung verändert. Es erstaunt daher nicht,
dass sich viele Kontosparer auf die Suche nach mehr Wertschätzung
und besseren Produkt-Konditionen machen.
Spiel mit dem Feuer: Sparen wird bestraft
– Schulden machen belohnt
Weil sich die Zinsen vieler Kontoarten nun schon seit Jahren unterhalb
der Höhe der Teuerung bewegen, hat Visual Finance beschlossen, dem
Thema Sparen eine eigene Publikation zu widmen.
Die Mehrzahl der Sparerinnen und Sparer trägt die Lasten der Finanzkrise
viel stärker als ihnen bewusst ist. Aufgrund einer Modellrechnung
gelangen wir zum Schluss, dass auf den Schweizer Konten Zinsgutschriften
in zweistelliger Milliardenhöhe ‚fehlen’, was zu einer
extremen Entlastung der Finanzindustrie geführt hat und zu waghalsigen
Investitionen in vermeintlich renditeträchtige Anlagen geführt
hat. Subtrahiert man die ‚eingesparten’ Kontozinsen von den
in den Statistiken der Schweizerische Nationalbank ausgewiesenen Bankgewinnen
(und Bankverlusten!) stellt man fest, dass die Rentabilität der Banken
im Verhältnis zur Grösse der Branche (Bilanzsumme, Bruttoerträge)
ohne die ‚Hilfe’ der Sparer im letzten Jahrzehnt erstaunlich
klein gewesen wäre. Würden die Banken ihren Kontosparern Sparern
eine höhere Wertschöpfung, sprich höhere Zinsen, offerieren,
drohte ihnen somit die Marge wegzubrechen.
Sehr aufschlussreich für die Bemessung einer Marktverzerrung ist
die sogenannte Bond-/Savings-Account-Ratio, die Visual Finance
als aussagekräftige Kenngrösse verwendet. Demnach ist das Verhältnis
zwischen den zu bezahlenden Marktzinsen für Bankanleihen und den
Sparzinsen zurzeit extrem hoch. Vieles deutet darauf hin, dass der Markt
im Bereich der Kontozinsen leider nicht optimal funktioniert.
Visual Finance befürchtet, dass selbst bei einem Anspringen der Teuerung
die Kontozinsen nur träge angehoben werden und sich die Situation
für die Sparerinnen und Sparer verschärft: Zahlreiche Sparer
würden in einem solchen Fall auf realer Basis Kapitalverluste erleiden.
Die Prinzessin bzw. den Sparsektor wach
küssen
Diverse Konsumentenschutz-Organisationen sorgen mit regelmässig
publizierten Vergleichen für mehr Transparenz und fördern dadurch
den Wettbewerb unter den verschiedenen Anbietern. Seitens der (Bank-)Wissenschaft
haben wir hingegen etwas mehr erwartet, da eine gesunde Spartätigkeit
von grosser volkswirtschaftlicher Bedeutung ist.
Visual Finance wird sich in den kommenden Monaten mit den vielfältigen
Aspekten rund ums Sparen auseinandersetzen und sich auf die Suche nach
den besten Bankangeboten der Schweiz machen. Als zentrale Bewertungskriterien
berücksichtigen wir sowohl die Konditionen als auch die Kreditwürdigkeit
der Banken über ein Analysezeitfenster von zehn Jahren.
Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Fragen oder Anregungen haben. Falls Sie
Kundin oder Kundin einer kleinen oder mittelgrossen Bank sind, deren Dienstleistungen
Sie sehr schätzen und deren Zinsofferten Sie als überdurchschnittlich
einstufen, teilen Sie uns dies bitte per E-Mail mit. Wir freuen uns auch
auf Ihre Erfahrungsberichte als Sparerin oder Sparer. Unsere Mail-Adresse
lautet mail@visualfinance.ch.
Sollten Sie im Besitz von entwerteten Schweizer Sparheften sein, die Sie
uns für Zinsanalyse-Zwecke zur Verfügung stellen möchten,
dann melden Sie sich bitte unter Telefon 052 222 44 40 bei uns. Die Anschrift
für Postsendungen lautet: Visual Finance, Wiesenstrasse 3, CH-8400
Winterthur.
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