Anleihenfinanzierungen im Aufwind

«Die Finanzkrise 2007–09 markierte das Ende einer Ära, in der Banken einen Finanzierungsvorteil gehabt hatten.»
 
BIZ-Quartalsbericht, Dezember 2013


Visualisierungen zum Thema (PDF-Charts):

(1) BIZ-Quartalsbericht, Dezember 2013
(2) Moody’s Corporation: Langfristige Aktienkursentwicklung


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Euphorischer Unternehmensanleihenmarkt in Europa

Die Attraktivität der Bondfinanzierung (engl. für Anleihenfinanzierung) hat für Grossunternehmungen im Nachgang zur Finanzkrise stetig zugenommen. Das hängt einerseits mit dem Tiefzinsniveau und den niedrigen Kreditausfallquoten, andererseits aber auch mit der zügellosen Renditejagd der Investoren und der Instabilität des Bankensektors zusammen.

Die Skepsis gegenüber dem Bankensektor und der herbe Vertrauensverlust haben dazu geführt, dass die Refinanzierungskosten für die Banken erheblich gestiegen sind verglichen mit der Zeit vor der Finanzkrise. Im Gegensatz zu Gesellschaften aus dem Nicht-Finanzsektor verfügten Banken über Jahrzehnte hinweg über höhere und stabilere Credit Ratings. Das Bild einer beinahe ‚strukturellen Höherbenotung‘ war infolge der zahlreichen Schwachstellen, welche die Bankenkrise eindrücklich zutage gefördert hat, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Credit Ratings wurden darum vielerorts sukzessive nach unten korrigiert.

Mit dem Wegfall des Bonitäts- und Stabilitätsbonus sind für viele Grossunternehmungen aus dem Nicht-Finanzsektor die Vorteile (monetärer und nicht-monetärer Art) einer Bankkreditfinanzierung verschwunden.

In der Eurozone, wo die Banken besonders heftig unter (Rating-)Druck gerieten, ist eine Anleihenfinanzierung für Grosskonzerne seit 2012 günstiger als eine Finanzierungslösung bei einer Bank. Die Bank für Internationalen Zahlungsaustausch beschäftigt sich in ihrem jüngsten Quartalsbericht mit dieser ungewöhnlichen Entwicklung (BIZ-Quartalsbericht, Dezember 2013 PDF).

Was auf internationaler Ebene zu beobachten ist, trifft auch für die Schweiz zu. Diverse, einem breiten Publikum noch wenig bekannte, Firmen feierten 2013 ihr Kapitalmarktdebüt mit der Emission einer Anleihenobligation.

Dieser Trend dürfte vorderhand anhalten. Sobald die Zinsen aber markant anziehen und der Risikoappetit der Anleger nachlässt, wird das Umfeld für Anleihenschuldner deutlich anspruchsvoller werden.

Aktien der Ratingagentur Moody’s erreichen Allzeithoch

Euphorische Bondmärkte beflügeln das Geschäft der Ratingagenturen. Mit ihren Meinungen zur Bonität der Anleihenschuldner übernehmen sie die Kreditwürdigkeitsprüfung der Banken. Ein Mandat für eine Ratingeinstufung erfolgt in der Regel auf Antrag der Anleihenschuldner. Das Geschäft mit der Risikobeurteilung ist lukrativ, beinhaltet aber auch hohe Reputationsrisiken.

Auf dem Siedepunkt der Finanzkrise wurden die Ratingagenturen scharf kritisiert und mit Hohn und Spott eingedeckt. Die Ratingagenturen haben die Kritik meist still erduldet und das Tagesgeschäft professionell weitergeführt. Daneben wurden jedoch auch strukturelle Verbesserungen auf dem Gebiet der Ratingpolitik an die Hand genommen und die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden intensiviert. Die Ratingagenturen haben damit ihre operationelle Funktionstüchtigkeit in einer schwierigen Zeit unter Beweis gestellt; genau so, wie sie es auch in früheren Phasen immer wieder getan haben.

Heute notieren die Aktien der an der Börse kotierten Moody’s Corporation auf einem Allzeithöchst. Die Aktien haben sich langfristig als ausgezeichnetes Investment erwiesen und Vergleichsindizes weit hinter sich gelassen (Moody’s Corporation: Langfristige Aktienkursentwicklung PDF)!

Wird die Rechnung der Anleihengläubiger aufgehen?

Die Antwort auf diese Frage ist eng verknüpft mit der individuellen Risikotoleranz und den persönlichen Renditeerwartungen. Einige Grundsatzüberlegen können helfen, die aktuelle Lage an den Anleihenmärkten besser einordnen zu können.

  1. Die Tatsache, dass immer mehr Investoren, welche durchschnittlich über weniger Know-how im Bereich der Kreditwürdigkeitsprüfung verfügen als Banken, nun sehr präsent in die Rolle der Kreditinstitute schlüpfen, lässt aufhorchen und auf eine riskante (Anlage-)Situation schliessen.

  2. Um die Attraktivität von Engagements in Unternehmensanleihen zu beurteilen, sind weniger die gegenwärtigen Zahlungsausfallquoten entscheidend, sondern diejenigen in der Zukunft.

  3. Nehmen die Zahlungsstörungen in den kommenden Jahren wieder zu und schwanken diese dannzumal wieder eine Zeit lang in einer engeren Bandbreite um die historischen Mittelwerte, wird ein breit diversifiziertes Unternehmensanleihenportfolio mit Schuldnern im tiefen bis mittleren Bonitätsbereich wohl im Endeffekt nur eine sehr tiefe Gesamtrendite abwerfen.

  4. Die Renditeaussichten verbessern sich allerdings für jene Investoren, welche die hohe Kunst der Titelselektion/Bonitätsanalyse beherrschen und es schaffen, Zahlungsausfälle von Ihrem Portfolio fernzuhalten.

  5. Professionelle Bondanleger können in einem von vielen Neuemissionen geprägten Marktumfeld äusserst lukrative Handelsstrategien aufbauen und umsetzen, die mit dem ‚Lebenszyklus‘ der neu emittierten Anleihenobligationen zusammenhängen.

  6. Im Gegensatz zu den Banken arbeiten die meisten Anlegerinnen und Anleger ohne Fremdkapital (Leverage). Müssten sie ähnlich viel Fremdkapital aufnehmen wie die Banken, um ihre Anleihenkäufe tätigen zu können, entpuppte sich ein Engagement für die allermeisten Investoren schnell als Verlustgeschäft. Ein wichtiger Grund für die historisch tiefen Anleihenzinsen ist somit der tiefe Fremdkapitaleinsatz der (meisten) Bondinvestoren.

  7. Im Gegensatz zu börsenkotierten Banken, die langfristig eine Eigenkapitalrendite von 10% und mehr anstreben, können Anleiheninvestoren – wenn sie es denn wollen – sich auch mit extrem tiefen Renditen zufrieden geben. Sie können völlig autonom und situativ Anlageentscheide fällen.

  8. Die Gefahr potenzieller Interessenkonflikte nimmt zu. Verschiedene heikle Konstellationen sind denkbar. Was ist beispielsweise davon zu halten, wenn eine Kreditabteilung einer Bank aus Risikoüberlegungen nicht auf die von einem Schuldner gewünschten Zinskonditionen eingeht, aber später die Anlageberater derselben Bank Anleihenpapiere dieses Schuldners ihrer Kundschaft zum Kauf empfehlen? Und, ist es moralisch vertretbar und rechtlich zulässig, dass eine Kreditabteilung, die einen Kreditantrag eines Schuldners ablehnt, die Kredit suchende Unternehmung an die Kapitalmarktabteilung verweist zwecks Erörterung einer möglichen Anleihenemission?

Solange die Stimmung an den Märkten für Unternehmensanleihen überschwänglich bleibt, wandern immer mehr Kreditrisiken auf direktem Weg ins Wertschriftenportfolio der Investoren. Ob die Kreditrisiken dort besser aufgehoben sind als in den Bilanzen der Banken, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.



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